Wirksame Naturstoffe schneller finden
Heike Brötz-Oesterhelt, stellvertretende Sprecherin des CMFI, darüber was es braucht, um wirksame Naturstoffe schneller finden zu können. Eine Bilanz für 2021 und aktuelle Forschungsziele der Tübinger Naturstoffforschung.
Die Arbeitsgruppe von Prof. Heike Brötz-Oesterhelt vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Eberhard Karls Universität Tübingen sucht nach neuen antibakteriellen Wirkstoffen. Eine große Herausforderung in der heutigen Naturstoffforschung ist es, bereits bekannte Substanzen frühzeitig zu entdecken und auszusortieren, um Kapazitäten für die Erforschung neuer Wirkstoffe zu haben.
„Wir brauchen möglichst früh Informationen zur Bioaktivität und der Wirkungsweise, um uns auf die Isolierung von Verbindungen mit unbekannter Wirkungsweise zu konzentrieren“ – Heike Brötz-Oesterhelt
Zu diesem Zwecke haben die Forschenden einen neuen Bioreporter-Ansatz entwickelt, den sie im Fachmagazin Cell Chemical Biology publiziert haben. Bioreporter sind mikrobielle Zellen, die gentechnisch so verändert wurden, dass sie als Reaktion auf einen bestimmten Wirkstoff in ihrer Umgebung ein messbares Signal erzeugen – in diesem Falle einen Farbkreis. Damit lassen sich bereits im Primärscreening Informationen zur Wirkweise bioaktiver Verbindungen generieren, ohne dass die Substanz angereichert oder aufgereinigt werden muss. Die Methode funktioniert entlang der gesamten Aufreinigungspipeline, also mit Kulturüberständen, Extrakten, Fraktionen und Reinsubstanzen. In Kombination mit hochauflösender Massenspektrometrie ist das Biosensor-Panel ein effizientes und empfindliches Werkzeug zur Entschlüsselung von Verbindungen. Es informiert sofort über den gehemmten Stoffwechselweg und ermöglicht so die Auswahl gezielter Folgeassays zur Aufklärung der molekularen Zielstruktur.
Bilanz 2021:
- In der Corallopyronin-A-Entwicklung Abschluss des Transfers an die industriellen Clinical Research Organisations und ein Upscaling der Produktion auf Großmaßstab (15.000 Liter), sowie zentrale Tox-Studien im Hund. (teilweise umgesetzt)
- Ausarbeitung und Publikation einer Roadmap der Antibiotika-Entwicklung aus der translationalen akademischen Forschung im Rahmen der DZIF-Beteiligung im JPI-AMR.
- Nachweis/Bestätigung des In-vivo-Proof-of-Concept für die unterstützende Therapie von Pseudomonas aeruginosa-Infektionen durch Anwendung von PqsR-inversen Agonistenin Kombination mit einem Aminoglykosid-Antibiotikum.
Aktuelle Vorhaben:
- Nachweis/Bestätigung des In-vivo-Proof-of-Concept für die unterstützende Therapie von Pseudomonas aeruginosa-Infektionen durch Anwendung von LecB-Inhibitoren in Kombination mit einem Standard-of-Care-Antibiotikum.
- Nominierung einer Leitstruktur zur Anwendung gegen Pseudomonas aeruginosa-Infektionen.
- Identifizierung und Nutzung zentraler Transkriptionsregu-latoren zur Aktivierung stiller Gencluster und Identifizierung neuer antibiotisch wirksamer Naturstoffe.
(Text: DZIF-Jahresbericht 2021)
Neuer Bioreporter-Ansatz erhöht Chancen auf Entdeckung unbekannter bioaktiver Verbindungen
CMFI News, 30.03.2021
Bioreporters for direct mode of action-informed screening of antibiotic producer strains
Wex K W, Saur J S, Handel F, Ortlieb N, Mokeev V, Kulik A, Niedermeyer T H J, Mast Y, Grond S, Berscheid A, Brötz-Oesterhelt H. CellChemBio (2021), doi: 10.1016/j.chembiol.2021.02.022.
Prof. Dr. Heike Brötz-Oesterhelt
Stellvertretende Sprecherin CMFI
Universität Tübingen
Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin
Lehrstuhl für Mikrobielle Wirkstoffe
E-Mail: heike.broetz-oesterhelt@uni-tuebingen.de
Leon Kokkoliadis
Medien- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel: +49 7071 29-74707
E-Mail: leon.kokkoliadis@uni-tuebingen.de
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