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Neuer Pathoblocker soll Salmonelleninfektion frühzeitig stoppen

Team der Universität Tübingen und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung ent-deckt einen Stoff, der Signalketten der Krankheitserreger bei der Zellinvasion hemmt

11.04.2025 CMFI News

Krankheitserregende Salmonellen injizieren Effektorproteine in Zellen des Magen- und Darmgewebes, um in diese einzudringen und sich dort zu vermehren. Dabei rufen die Bakterien, die meist über Lebensmittel aufgenommen werden, vor allem bei Kindern und alten Menschen gefährliche Magen-Darm-Entzündungen bis hin zu systemischen Infektionen hervor. Nun hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Professor Samuel Wagner vom Exzellenzcluster der Universität Tübingen „Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen“ (CMFI) und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) eine Substanz entdeckt, die den Infektionsvorgang früh stoppen kann. Der künstlich erzeugte Stoff C26 hemmt die Injektion der Effektorproteine. Er könnte zu einem Medikament gegen Salmonelleninfektionen bei Mensch und Tier weiterentwickelt werden. Die Entdeckung wurde in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.

Gegen Antibiotika, die das Wachstum von Bakterien hemmen oder diese abtöten, haben die gefährlichen Salmonellen vielfach Resistenzmechanismen entwickelt. Daher werden alternative Behandlungsmöglichkeiten dringend benötigt. Pathoblocker stellen eine solche Alternative dar. Der entdeckte Stoff wirkt frühzeitig, bevor die Bakterien in das Gewebe eindringen, indem er gezielt die Infektionsmechanismen des Krankheitserregers stört. „Als Medikamente wirken sie sehr spezifisch und gezielt gegen Salmonellen. Nach heutigem Kenntnisstand dürfte die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer sein, dass die Salmonellen Resistenzen gegen diese Stoffe von anderen Bakterien erwerben“, sagt Samuel Wagner.

 

Zentraler Regulator im Visier

Beim Angriff auf ihr Zielgewebe im Magen-Darm-Trakt setzen Salmonellen Sekretionssysteme in Gang, die sich auf mehrere Transkriptionsregulatoren stützen „Einer dieser Regulatoren, HilD, spielt eine zentrale Rolle beim Eindringen von Salmonellen in die Wirtszelle. Wir haben eine geeignete Zielstruktur bei HilD für neue Wirkstoffkandidaten identifiziert“, sagt Dr. Abdelhakim Boudrioua vom Exzellenzcluster CMFI, der Erstautor der Studie. Um die Signale zur Proteinherstellung weiterzuleiten, müssen die Regulatoren hochspezifisch an weitere Regulatoren und DNA binden und weitere Reaktionen auslösen. Die Bindungsstelle bei HilD kann man sich auf molekularer Ebene vorstellen wie eine detailliert geformte dreidimensionale Tasche. Der entdeckte Stoff passt genau in diese Tasche und stört dadurch die Funktion des Regulators, erklärt der Forscher. Dadurch könne der Infektionsvorgang abgebrochen werden.

 

Das Forschungsteam durchsuchte große Substanzdatenbanken nach potenziellen Kandidaten. „Wir haben C26 als vielversprechendste Substanz identifiziert. Anschließend haben wir eine umfassende Analyse der Wirkungsweise und der genauen Bindungsstelle an der Struktur von HilD gemacht“, sagt Boudrioua. Es folgten zahlreiche Tests zur Effizienz von C26 bei der Unterdrückung der Infektion, zum Beispiel durch den Nachweis, dass der Hemmstoff die Pathogenität von Bakterien beeinträchtigt, die sich in Makrophagen – den Zellen des Immunsystems des Wirts – verstecken. „Nach unseren Ergebnissen konnte C26 den Infektionsprozess der Salmonellen frühzeitig am zentralen Regulator HilD stoppen. Es scheint spezifisch auf die Krankheitserreger zu wirken und das nützliche menschliche Mikrobiom nicht weiter zu beeinflussen“, fasst Wagner zusammen. „Wir haben nun einen geeigneten Ausgangsstoff zur Weiterentwicklung als Medikament.“

„Die Entdeckung unterstreicht eindrucksvoll, wie unsere exzellente Grundlagenforschung an der Universität Tübingen innovative Lösungen für drängende medizinische Probleme hervorbringt“, ergänzt Professorin Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, die Rektorin der Universität Tübingen.

Weiter Weg zum Medikament

Bis zu einer neuen Therapie gegen Salmonelleninfektionen mit Pathoblockern wie HilD Regulatoren sei es noch ein weiter Weg, sagt Wagner. Außer für Menschen könnten hier auch Medikamente für Tiere entwickelt werden, vor allem für Geflügel. Die Anstrengungen könnten sich lohnen: Anders als bei Antibiotika, die vielfach auch die nützlichen Darmbakterien der Patientinnen und Patienten schädigen, seien von spezifischen Pathoblockern keine negativen Auswirkungen auf den Körper und sein eigenes Mikrobiom zu erwarten.

 

Publikation:

Abdelhakim Boudrioua, Joe D. Joiner, Iwan Grin, Thales Kronenberger, Vadim S. Korotkov, Wieland Steinchen, Alexander Kohler, Sophie Schminke, Julia-Christina Schulte, Michael Pietsch, Arun Naini, Simon Kalverkamp, Sven-Kevin Hotop, Travis Coyle, Claudio Piselli, Murray Coles, Katharina Rox, Matthias Marschal, Gert Bange, Antje Flieger, Antti Poso, Mark Brönstrup, Marcus D. Hartmann, Samuel Wagner: Discovery of synthetic small molecules targeting the central regulator of Salmonella pathogenicity. Science Advances, https://doi.org/10.1126/sciadv.adr5235.

Wissenschaftlicher Kontakt

Prof. Dr. Samuel Wagner

Universität Tübingen

Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin (IMIT)

Exzellenzcluster „Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen“ (CMFI)

Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)

Telefon +49 7071 29-84238

samuel.wagner@med.uni-tuebingen.de

 

Dr. Abdelhakim Boudrioua

Universität Tübingen

Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin (IMIT)

Exzellenzcluster „Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen“ (CMFI)

Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)

Telefon +49 7071 29-81514

abdelhakim.boudrioua@med.uni-tuebingen.de

 

Pressekontakt

Leon Kokkoliadis
Medien- und Öffentlichkeitsarbeit

Tel: +49 7071 29-74707 / +49 152 346 79 269
E-Mail: leon.kokkoliadis@uni-tuebingen.de

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