Schlüsselmolekül im bakteriellen Stoffwechsel entdeckt
Eine Gruppe um CMFI-Forschungsgruppenleiter Karl Forchhammer hat die Entstehung eines zentralen Regulators im bakteriellen Stoffwechsel aufgeklärt. Verantwortlich für die Herstellung ist ein Enzym, das in zahlreichen Bakterienarten nachgewiesen werden konnte, darunter auch Mitglieder des menschlichen Mikrobioms und Krankheitserreger. Die Erkenntnisse könnten bei der Bekämpfung von pathogenen Bakterien nützlich sein.
Der Kohlenstoffmetabolismus ist einer der zentralen Stoffwechselvorgänge, der vielen Lebewesen gemein ist. Eine zentrale Rolle spielt hierbei auch die Speicherung von Zuckern.
Tiere (einschließlich des Menschen) aber auch Bakterien, können in den Zellen Zucker als ein Polymer in Form von Glykogen speichern und bei erhöhtem Energiebedarf wieder mobilisieren (Abbildung 1). Eine Schlüsselreaktion sowohl bei der Speicherung als auch bei der Mobilisierung ist die Umlagerung von Phosphatresten an den Zuckermolekülen. Katalysiert werden diese Umlagerungs-Reaktionen von der Enzymgruppe der Phosphohexomutasen (PHM). (Abbildung 2)
Die große Familie der PHM Enzyme lässt sich in mehrere Untergruppen einteilen. Sie funktionieren alle nach demselben Prinzip, sind aber auf verschiedene Phosphatzucker als Substrat spezialisiert. Damit die Phosphat-Umlagerungsreaktionen stattfinden können, müssen die Enzyme zunächst aktiviert werden. Dies geschieht durch das Molekül G16bP. Dieses Molekül hängt eine Phosphatgruppe an das Reaktionszentrum der Enzyme und versetzt sie damit in einen aktiven Zustand. Wie dieses Aktivator-Molekül bei Menschen und anderen Wirbeltieren gebildet wird, ist schon länger Gegenstand der Forschung und in weiten Teilen verstanden: Verantwortlich für die Bildung des Moleküls ist ein Enzym (PGM-2), das ebenfalls zur PHM Familie gehört, jedoch außerhalb von Wirbeltieren nicht vorkommt. Seine zentrale Rolle im Stoffwechsel zeigt sich dadurch, dass ein Defekt dieses Enzyms einen Mangel an G16bP zur Folge hat. Dieser Mangel führt unter anderem zu neurologischen Entwicklungsstörungen bei Neugeborenen. Bei Bakterien weiß man seit Jahrzehnten, dass G16bP eine wichtige Rolle im Zuckerstoffwechsel spielt, aber wie dieses Molekül gebildet wird, konnte nun zum ersten Mal gezeigt werden.
„Mit den Forschungsergebnissen wurde eine erhebliche Wissenslücke in dem ansonsten als gut erforscht geltenden bakteriellen Zuckerstoffwechsel geschlossen“, sagt Niels Neumann, CMFI-Doktorand und Erstautor der Studie.
Das Enzym welches G16bP in Bakterien produziert gehört zu einer weiteren, bisher kaum erforschten Untergruppe der PHM Familie. Dabei nutzt es einen anderen Weg zur Herstellung von G16bP als dies bei Wirbeltieren der Fall ist.
Die Forschenden konnten mit Hilfe des Cyanobakteriums Synechocystis, sowie dem im menschlichen Darm lebenden Bakterium Bacteroides salyersiae zeigen, dass dieses Enzym in zahlreichen Bakterienarten vorkommt, darunter auch Vertreter des menschlichen Mikrobioms und pathogene Arten.
Publikation:
Neumann N, Friz S, Forchhammer K. Glucose-1,6-Bisphosphate, a Key Metabolic Regulator, Is Synthesized by a Distinct Family of α-Phosphohexomutases Widely Distributed in Prokaryotes. mBio. Jul 20:e0146922. (2022) doi: 10.1128/mbio.01469-22.
Prof. Dr. Karl Forchhammer
Universität Tübingen
Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin (IMIT)
Mikrobiologie/Organismische Interaktionen
Tel: +49 7071 29 72096
E-Mail: karl.forchhammer@uni-tuebingen.de
Leon Kokkoliadis
Medien- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel: +49 7071 29-74707
E-Mail: leon.kokkoliadis@uni-tuebingen.de
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