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Neuer Schlüssel bei Prädiabetes: Blutzuckerspiegel wichtiger als Körpergewicht

Analyse zeigt: Ein normalisierter Blutzuckerspiegel ist auch ohne Gewichtsabnahme möglich

29.09.2025 Pressemitteilung

Bisher war die Gewichtsreduktion das oberste Therapieziel bei Menschen mit Prädiabetes. Eine Analyse einer großen Tübinger Studie zeigt: Betroffene, die durch einen gesunden Lebensstil ihren Blutzuckerspiegel wieder in den Normalbereich bringen aber kein Gewicht verlieren oder gar zunehmen, senken trotzdem ihr Risiko für Typ-2-Diabetes um 71 Prozent. An der Studie beteiligt waren Forschende des Universitätsklinikums Tübingen, von Helmholtz Munich und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).

Prädiabetes betrifft Millionen von Menschen weltweit. So ist schätzungsweise jeder zehnte Erwachsene davon betroffen, wobei die Dunkelziffer deutlich höher liegt. Dieser Zustand, bei dem die Blutzuckerwerte erhöht sind, aber noch nicht die Diabeteskriterien erfüllen, wird als Prädiabetes bezeichnet. Oft bleibt es lange unentdeckt, da Betroffene zunächst keine Beschwerden haben. Die Körperzellen reagieren schlechter auf das körpereigene Hormon Insulin. Somit gelangt weniger Zucker aus dem Blut in die Körperzellen und der Blutzuckerspiegel ist erhöht. Die Risiken sind erheblich: Unbehandelt besteht ein hohes Risiko, später an Typ-2- Diabetes zu erkranken – einer Krankheit, von der weltweit mehr als 460 Millionen Menschen betroffen sind. Sie kann schwere Folgeerkrankungen wie Herz-Kreislauf- Leiden oder Krebs nach sich ziehen.

Normaler Blutzuckerspiegel als Wendepunkt

Bisher empfohlene Strategien – auch in den gängigen Leitlinien – zur Vorbeugung von Typ-2-Diabetes bei Menschen mit Prädiabetes zielen vor allem darauf ab, durch gesunde Ernährung und mehr körperliche Aktivität Gewicht zu reduzieren. Diese allein auf das Gewicht beschränkte Strategie könnte durch die neuen Analyseergebnisse erweitert werden.

In einer von der Tübinger Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie durchgeführten Langzeitstudie zeigte sich, dass von den über 1100 Studienteilnehmern 234 innerhalb eines Jahres kein Gewicht verloren oder sogar an Körpergewicht zunahmen, obwohl sie sich der Lebensstiländerung unterzogen. Dennoch normalisierte sich bei gut 22 Prozent von ihnen der Blutzuckerspiegel. Über einen Zeitraum von bis zu weiteren 9 Jahren wurde das Auftreten von Typ-2- Diabetes beobachtet. Ohne Gewichtsverlust hatte diese Gruppe eine bis zu 71 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit an Diabetes zu erkranken. Dieser Wert ist fast identisch zu denjenigen, die mittels Gewichtsabnahme ihr Risiko für Typ-2-Diabetes senken konnten (73 Prozent).

Fettverteilung als ausschlaggebender Faktor

Ein besonderes Augenmerk der Analyse galt der Fettverteilung. So wurde das Verhältnis zwischen Viszeralfett, also dem inneren Bauchfett, das die Organe umgibt, und Subkutanfett, also dem Fettgewebe, das sich direkt unter der Haut befindet, untersucht. Viszeralfett setzt Botenstoffe frei, die Entzündungen fördern und den Hormonhaushalt stören, was zu einer Insulinresistenz führt und so im direkten Zusammenhang mit Typ-2-Diabetes steht. Gerade diejenigen Studienteilnehmer, deren Blutzuckerspiegel sich ohne Gewichtsabnahme wieder normalisierte, hatten durch die Lebensstilveränderung einen geringeren Anteil an Bauchfett im Vergleich zu denjenigen, deren Blutzuckerspiegel im Prädiabetesbereich verblieben.

Körpergewicht nicht mehr alleiniger Indikator

„Die Wiederherstellung eines normalen Nüchternblutzuckerspiegels ist das wichtigste Ziel zur Prävention von Typ-2-Diabetes und nicht zwingend die Zahl auf der Körperwaage“, bringt Prof. Dr. Birkenfeld, Studienleiter und Direktor des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) von Helmholtz Munich an der Universität Tübingen es auf den Punkt. „Sport und eine ausgewogene Ernährung wirken günstig auf Blutzucker, unabhängig davon, ob Gewicht reduziert wird. Gewicht zu verlieren, bleibt hilfreich, aber unsere Daten weisen darauf hin, dass es nicht zwingend notwendig für den Schutz vor Diabetes ist“, führt er weiter aus. „Die Leitlinien zur Prävention und Behandlung von Typ-2- Diabetes sollten künftig nicht nur das Gewicht, sondern vor allem die Blutzuckerkontrolle und Fettverteilungsmuster berücksichtigen“, ergänzt Prof. Dr. Reiner Jumpertz-von Schwartzenberg, der zusammen mit Herrn Prof. Birkenfeld als Letztautor an der Studie beteiligt war.

Gesunder Lebensstil als Erfolgsrezept

Die Studienergebnisse legen jedoch nahe, wie wichtig es ist, neben Gewichtsreduktionszielen auch glykämische Zielwerte, also Blutzuckerrichtwerte, in die Praxisleitlinien aufzunehmen. Der Rückgang des Prädiabetes ist der wirksamste Weg, um zukünftigem Typ-2-Diabetes vorzubeugen, und die Analyse deutet darauf hin, dass dies teilweise unabhängig von der Gewichtsreduktion ist. Nichtsdestotrotz bleiben ausreichend körperliche Bewegung und eine ausgewogene Ernährung die entscheidenden Mittel, um die Blutzuckerwerte in einen normalen Bereich zu bringen.

Titel der Originalpublikation:
Prevention of type 2 diabetes through prediabetes remission without weight loss
DOI: 10.1038/s41591-025-03944-9

 

Wissenschaftlicher Kontakt

Prof. Dr. Andreas Birkenfeld

Ärztlicher Direktor

Klinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie

Universitätsklinikum Tübingen

Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) von Helmholtz Munich an der Universität Tübingen

andreas.birkenfeld@med.uni-tuebingen.de

Webseite

 

Prof. Dr. Reiner Jumpertz-von Schwartzenberg

Forschungsgruppenleiter

Klinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie

Universitätsklinikum Tübingen

Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) von Helmholtz Munich an der Universität Tübingen

reiner.jumpertz-vs@med.uni-tuebingen.de

Webseite

Pressekontakt

Leon Kokkoliadis
Medien- und Öffentlichkeitsarbeit

Universität Tübingen

Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin

Exzellenzcluster „Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen” (CMFI)

Tel: +49 7071 29-74707 / +49 152 346 79 269

E-Mail: leon.kokkoliadis@uni-tuebingen.de

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