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Molekulare Steuerung des CO2-Flusses in Cyanobakterien

Die wichtige Rolle der zirkadianen Uhr

17.03.2023 CMFI News

Cyanobakterien binden CO2 und können es in wertvolle Industrieprodukte wie biologisch abbaubare Kunststoffe (Polyhydroxybutyrat) oder andere chemische Grundstoffe umwandeln. In ihrer im Fachjournal PNAS veröffentlichten Studie klärt ein Team um CMFI PI Khaled Selim molekulare Grundlagen, die eine Manipulation des CO2-Flusses in Cyanobakterien und der molekularen Mechanismen ermöglichen. Eine wichtige Rolle spielt hierbei der Takt der zirkadianen Uhr, die molekulare Mechanismen in Cyanobakterien steuert.

Cyanobakterien: Sauerstoffproduzenten, die CO2 binden und Bioplastik produzieren

Cyanobakterien sind ursprüngliche Organismen, die vor etwa 3 Milliarden Jahren mit sauerstoffhaltiger Photosynthese begannen und dadurch die Erdatmosphäre mit Sauerstoff anreicherten. Sie binden außerdem atmosphärisches CO2 und formen daraus organische Moleküle wie Kohlenhydrate und Glukose. Für eine ausreichende intrazelluläre Kohlenstoffversorgung haben Cyanobakterien hocheffiziente Kohlenstoffaufnahmesysteme entwickelt, die als Kohlenstoffkonzentrationsmechanismen (engl. CCM) bezeichnet werden. Kommt es zu einem Überschüssigen Anteil an Kohlenstoff wird dieser wiederum genutzt, indem sie Reserve-Biopolymere wie Glykogen und Polyhydroxybutyrat produzieren. Dieser kann wiederum als biologisch abbaubarer Kunststoff verwendet werden. Cyanobakterien sind für etwa 15 % der weltweiten Photosyntheseproduktion verantwortlich und stellen eine ideale Quelle für biotechnologische Anwendungen dar.

Da die CO2-Fixierung eng mit der photosynthetischen Aktivität verknüpft ist, wird sie durch den natürlichen Wechsel von Tag- und Nachtzyklen beeinflusst. Deshalb müssen Cyanobakterien wie der einzellige Modellorganismus Synechocystis sp. die CO2-Fixierung als Reaktion auf den Tagesrhythmus streng regulieren. Bereits bekannt ist, dass Cyanobakterien ihren Stoffwechsel beim Übergang vom Tag zur Nacht mithilfe einer oszillierenden zirkadianen Uhr anpassen. Über den Tag nutzen sie die Lichtenergie für die Photosynthese und speichern den gebundenen Kohlenstoff in Form von Glykogen. In der Nacht wird das Glykogen zur Energiegewinnung abgebaut, so dass die Cyanobakterien die nächtlichen Dunkelheitsperioden überstehen können. Vor Kurzem sind wir auf ein neues Protein gestoßen, das die Aufnahme von CO2 in der Zelle reguliert, indem es eines der Kohlenstoffaufnahmesysteme, nämlich SbtA, steuert. Dieses Protein ist als SbtB bekannt.

 

Wie das Protein SbtB die Aktivität von SbtA steuert

Die Forschenden geben in ihrer Studie Einblicke in die Art und Weise, wie SbtB die Aktivität von SbtA nicht nur in Abhängigkeit von der intrazellulären Kohlenstoffzufuhr, sondern auch in Reaktion auf die natürlichen Tagesrhythmen reguliert. SbtB erfasst den Energiezustand der Zelle, indem es die Energieträgermoleküle ATP, ADP und AMP bindet - eine Art Batterie für die Zelle. Im AMP-gebundenen Zustand kann SbtB mit SbtA interagieren und so dessen Transportaktivität regulieren. Jedoch wurde der Übergang von SbtB vom ATP- über den ADP- zum AMP-gebundenen Zustand bisher noch nicht ausreichend verstanden. Wir fanden heraus, dass SbtB eine atypische Diphosphohydrolase-Aktivität (Apyrase) aufweist, die ATP und ADP nacheinander zu AMP hydrolysiert und damit eine Bedingung schafft, die eine enge Interaktion zwischen SbtA und SbtB begünstigt. Wir konnten nachweisen, dass die Apyrase-Aktivität von SbtB als Reaktion auf den Tag-Nacht-Zyklus über eine redoxsensitive C-terminale Verlängerung, die so genannte R-Schleife (d. h. Redox-regulierte Schleife), reguliert wird. Während der Nacht wird die R-Schleife von SbtB oxidiert, was die Apyrase-Aktivität induziert und damit den AMP-gebundenen Zustand herbeiführt, der die Kohlenstoff-Aufnahmeaktivität aufgrund der fehlenden Photosynthese in der Nacht blockiert. Im Gegensatz dazu wird die R-Schleife in der Tagesphase reduziert, was die Apyrase-Aktivität von SbtB hemmt und die Kohlenstoffaufnahme in einem aktiven Zustand erhält. Außerdem haben wir festgestellt, dass der Redox-Zustand von SbtB durch das Thioredoxin TrxA reguliert wird, welches in der Lage ist, die R-Schleife von SbtB während der Tagesphase zu reduzieren.

 

Warum ist das wichtig?

Angesichts ihrer Fähigkeit, CO2 zu binden und in wertvolle Produkte wie biologisch abbaubare Kunststoffe (Polyhydroxybutyrat) oder andere chemische Grundstoffe umzuwandeln, sind Cyanobakterien zudem ausgezeichnete Modellorganismen für verschiedene biotechnologische Anwendungen. Durch die Aufklärung der molekularen Grundlagen die hinter der Aktivität des zentralen Kohlenstoffregulators SbtB stehen, bietet unsere Arbeit einen Rahmen für die Manipulation des Kohlenstoffflusses in Cyanobakterien für eine effizientere Kohlenstofffixierung im industriellen Maßstab. Darüber hinaus verbessern unsere Ergebnisse nicht nur unser Verständnis des Kohlenstoffstoffwechsels in Cyanobakterien, sondern auch der molekularen Mechanismen, die Prozessen zugrunde liegen, die durch die zirkadiane Uhr gesteuert werden. Dies könnte Auswirkungen auf andere Organismen - einschließlich des Menschen - haben. Aus einer noch umfassenderen Perspektive bietet das Wissen über die evolutionären Mechanismen von Cyanobakterien als einem der ältesten Organismen auf der Erde Anhaltspunkte für das sehr frühe Leben auf dem Planeten.

(Autoren: Michael Haffner & Khaled Selim)

Original Publikation

Selim KA, Haffner M, Mantovani O, Hartmann MD. Carbon signaling protein SbtB possesses atypical redox-regulated apyrase activity to facilitate regulation of bicarbonate transporter SbtA. Proc. Natl. Acad. Sci. 120(8): e2205882120. (2023) doi: 10.1073/pnas.2205882120.

Wissenschaftlicher Kontakt

Dr. Khaled Selim
Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin
Auf der Morgenstelle 28
72076 Tübingen
Tel.: +49 7071 29-74627
E-Mail: khaled.selim@uni-tuebingen.de
Website

Pressekontakt

Leon Kokkoliadis
Medien- und Öffentlichkeitsarbeit

Tel: +49 7071 29-74707
E-Mail: leon.kokkoliadis@uni-tuebingen.de

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