Auf der Spur verborgener Mitglieder in Mikrobengemeinschaften
Christoph Ratzke erhält hochdotierte Projektförderung der VolkswagenStiftung
Dr. Christoph Ratzke vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universität Tübingen verlässt als Forscher gern angestammte Pfade. Daher passt sein neuestes Projekt zur besseren Charakterisierung von Mikrobengemeinschaften aus Umweltproben gut in das Programm „Pioniervorhaben – Explorationen des unbekannten Unbekannten“ der VolkswagenStiftung, über das er im Dezember 2023 eine Förderung von knapp 570.000 Euro für einen Zeitraum von drei Jahren eingeworben hat. Das doppelte „Unbekannt“ des Programms findet sich auch in seinem Vorhaben „Die unbekannte Mehrheit – welche Rolle haben ‚unkultivierbare‘ Mikroben in mikrobiellen Gemeinschaften?“.
„Mikroben sind überall, schon in einem Löffel Erde befinden sich Tausende verschiedener Arten. Im Labor kultivieren und genauer untersuchen können wir davon aber teilweise nur ein bis zehn Prozent“, berichtet Christoph Ratzke. Er will ein umfassenderes Bild der ganzen mikrobiellen Gemeinschaft bekommen. Besonders interessieren ihn Proben aus dem Ozean oder aus dem Süßwasser, in denen noch viele unentdeckte Bakterienarten vermutet werden.
Dass sich ein Großteil der Mikroben einer Gemeinschaft im Labor kaum zu erkennen gibt, ist als Problem schon länger bekannt, sagt Ratzke. Bisher fehlten aber Ideen, wie sie näher untersucht werden könnten. Ratzkes Ansatz beruht darauf, dass er die Mikroben nicht ganz vereinzeln will: „Sehr wahrscheinlich brauchen viele der Mikroben, die isoliert auf Kulturmedien im Labor nicht wachsen, einen Partner“, sagt er. Er will daher ein Kultursystem entwickeln, bei dem verschiedene Mikrobenarten physikalisch voneinander getrennt sind, aber die Nachbarn etwa für den Stoffaustauch zugänglich bleiben. Mit dem Fördergeld kann er einen Postdoktorand einstellen und ein Großgerät zur automatisierten Sortierung der Mikroben anschaffen.
Bisher habe man im Labor häufig gesehen, welche Mikroben sich unter Wettbewerbsbedingungen am besten durchsetzen. „Mich interessiert aber die ganze Biodiversität der natürlichen mikrobiellen Gemeinschaften und unter welchen Bedingungen diese stabil bleiben“, sagt Ratzke. Anwendbar soll seine Methode möglichst auf mikrobielle Gemeinschaften aus Ökosystemen aller Art sein. „Bakterien und Pilze beherrschen viele verschiedene Stoffwechselwege, produzieren eine große Vielfalt an Stoffen, die für den Menschen zum Beispiel als Antibiotika nützlich sein können“, sagt er. „In den bisher unerforschten Arten steckt ein gigantisches Potenzial.“
Mit der Förderinitiative „Pioniervorhaben“ – Explorationen des unbekannten Unbekannten" unterstützt die VolkswagenStiftung bahnbrechende und riskante Forschungsideen mit hoher wissenschaftlicher Relevanz. Die Vorhaben sollen auf große wissenschaftliche Durchbrüche abzielen, auch wenn das Risiko besteht zu scheitern. Ratzke gibt sich zuversichtlich: „Als riskant in dem Sinne empfinde ich meine Forschungsarbeiten nicht. Ich betrachte sie eher als ergebnisoffen.“
Text: Janna Eberhardt/Hochschulkommunikation